blaue werkzeugblume - denunziation eines mediums

2009 - digitaldruck auf endlosfolie, edding

die drucksache blaue werkzeugblume auf endlosfolie trägt den untertitel denunziation des mediums.
in diesen untertitel hat sich der amphibolische genitiv eingeschlichen: die aussage ist zweideutig, weil das tätige subjekt nicht eindeutig auszumachen ist. wer oder was denunziert hier das medium? oder führt etwa das medium selbst die anklage gegen wen auch immer? das medium kann sowohl aktiv als auch passiv verstanden werden, ist also subjekt und objekt zugleich.
das phänomen des amphibolischen, des zweideutigen, verbirgt die künstlerische intention und sorgt beim betrachter für (konzeptionelle) verwirrung.
sprachwissenschaftlich ist der amphibolische genitiv eng mit der logik des widerspruchs verknüpft:
kant redet in der kritik der reinen vernunft von der „verwechslung der begriffe“ und verwirft das amphibolische als dialektische opposition, die „die grenze des erkennens“ markiert.
für hegel hingegen ist die opposition „vieldeutig, schillernd, fließend“, eben dieses bedeutet (etymologisch)amphibolisch auch. aus der zweideutigkeit gewinnt hegel den klaren sinn des entgegengesetzten: „das identische in ihrer gegensätzlichkeit“.
heute würden wir sagen: die differenz einer unterscheidung. die vermittlung von subjekt und objekt wird zugunsten eines asymetrischen identitätsbegriffs aufgegeben.
die komplexität möglicher struktureller kopplungen bildet für den künstler ein ideales kontingent an kreativen möglichkeiten.

in der annahme, dass grüner die arbeit blaue werkzeugblume aus ganz bestimmten gründen so und nicht anders untertitelt hat, haben wir es mit einem künstlerischen handgriff zu tun, der in seiner konsequenz den untertitel, denunziation des mediums, als formellen teil der arbeit begreift.
bei der blauen werkzeugblume handelt es sich folglich um ein emblem, die sinnbildliche darstellung eines geistigen inhalts, die auf den referenziellen bezug, womöglich auf die denunziatorischen absichten des künstlers verweist.

wolfgang siekmann im dezember 2009




blaue werkzeugblume

die virtuelle, geometrische blume ist auf zwei ebenen angelegt: einer graphischen und einer flächigen.

ähnlich wie in der mittelalterlichen buchmalerei, in der die blaue initiale auf goldenem grund steht, formt sich die blaue blume über die goldene glasfront. blatt und stängel sind aus quadraten gebildet, die in reziprokem verhältnis zueinander stehen. das quadrat ist in diesem fall als sinnbild für ausdehnung und wachstum gedacht. es ist die zweite potenz einer zahl - die linie erhebt sich zur fläche.

die arbeit „die blaue werkzeugblume“ zitiert inhaltlich ihre funktion, nämlich durch auseinanderziehen von schiebelementen ein wachstum, oder durch öffnung der räume eine verdichtung der flächen zu erzeugen. die bemaßung der transluzenten goldenen flächen bezieht sich auf le corbusier´s modulor. in der kunstgeschichtlichen tradition steht gold seit der gotik für die einheit von sprache und raum. die fast unausprechliche wirkung von blau besteht im erlebten widerspruch von reiz und ruhe.

am abend, bei geschlossener glaswand soll, durch entsprechende hinterleuchtung, die arbeit wie ein dia wirken und dem besucher in der nacht einen angenehmen, ruhigen raum bieten.

„ein stiel ist das, was blätter trägt.“

„ein blatt ist das, was eine knospe in seinem winkel hat.“

„ein stiel ist das, was einmal eine knospe an dieser stelle war.“

(johann wolfgang von goethe)

CHG 2009

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